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Korrekte Sprache und ihre Tücken: 7 Fehler, die den besten Textern passieren

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Michael Gerstenecker

Michael Gerstenecker ist Content Manager und Lektor. Sprachliche Zwickmühlen und schöne Texte sind seine Leidenschaft. Sein bester Freund ist Kaffee. Sein Lieblingstier ist der edle Wombat. Nebenberuflich unterrichtet er am Germanistik-Institut der Uni Wien.

Irren ist menschlich. Kaum jemand weiß das so gut wie professionelle Texter und ihre Lektoren. Logisch, denn ein Text mit 10.000 Zeichen birgt (mindestens) 10.000 Möglichkeiten für Fehler. Das betrifft alle Bereiche der Sprache von Rechtschreibung und Grammatik über die Interpunktion bis hin zu missverständlichen oder schlicht falschen Ausdrucksweisen.

Warum Fehler nicht gleich Fehler ist

Gegen einen klassischen Tippfehler helfen natürlich auch die besten Rechtschreibkenntnisse nichts. Niemand, der Deutsch kann, würde absichtlich lässsig mit drei s schreiben. So etwas schleicht sich gelegentlich ein und wird hoffentlich im Lektorat entdeckt. Bedenklicher ist, dass sich in publizierten Schriftwerken auch viele Fehler tummeln, die gemacht worden sind, weil jemand die sprachlichen Regeln nicht kennt, sich täuscht oder es ihm einfach egal ist. Das ist fatal, denn natürlich ist selbst der raffinierteste Text nicht mehr gut, wenn er viele Fehler enthält.

Die gute Nachricht: Dagegen ist ein Kraut gewachsen, denn der Duden gibt klare Regeln vor. Im Zweifelsfall lieber einmal öfter nachschlagen! Wir haben uns  angeschaut, wo es besonders häufig  zu Unsicherheiten kommt.

Trennungs- und Bindungsängste

Im Speziellen scheinen viele Texter unter akuten Trennungs- und Bindungsängsten zu leiden. Das ist nicht einmal eine Metapher. Viele Autoren sind in Sachen Worttrennung und Kongruenz (also bei der Übereinstimmung von Satzteilen) „aktiv unsicher“ und schreiben dann intuitiv so, wie es ihnen ihr Sprachgefühl eingibt; doch das kann trügerisch sein. Wir haben deshalb aus dem Themenfeld „Trennen & Verbinden“ unsere Top 7 der häufigsten Fehler gesammelt.

Platz #7: Ob ich das zusammen schreibe oder getrenntschreibe, ist doch egal!

Gerade bei der Worttrennung sitzen viele Texter dem Irrtum auf, es ginge sowieso nur ums Bauchgefühl. Daher sofort die wichtigste Botschaft: Die Getrennt- und Zusammenschreibung ist, von wenigen Ausnahmen abgesehen, nicht optional. Besonders Verben mit einem Zusatz wie innehalten oder bekanntgeben sind oft Opfer von willkürlicher Trennung.

Für die korrekte Schreibung hilft eine Bedeutungsprobe: Hat der Verbzusatz eine Bedeutung, die sich durch das Verb nicht ändert? Dann muss ich ihn vom Verb getrennt schreiben. Oder ergibt sich die gewünschte Bedeutung ausschließlich aus der Kombination von Verb + Zusatz? Dann muss ich die beiden zusammenschreiben. (Schriebe ich hingegen gemeinsam mit anderen, würden wir zusammen schreiben.) Kleiner Check: In Sie gibt vor, bekannt zu sein und etwas bekanntgeben hat bekannt eine jeweils andere Bedeutung; daher ist bekannt geben falsch. Mit dieser Probe bekommt man viele Irrtümer in den Griff.

Platz #6: Wir machen soviele Fehler wie möglich

Die Wörter soviel, soweit und solange sind richtige Quälgeister – zumindest seit der Rechtschreibreform. Denn inzwischen ist sowohl die Zusammen- als auch die Getrenntschreibung möglich. Korrekt ist jedoch stets nur eine Variante. Welche, das ergibt sich aus dem Kontext. Wird soweit als Konjunktion verwendet oder handelt es sich um die adverbiale Fügung so weit?

Etwas kann zum Beispiel nicht soweit sein, denn soweit, solange und soviel (zusammengeschrieben) leiten immer Nebensätze ein: Soweit wir wissen, stimmt das. Ist etwas so weit, muss man fragen können: Wie weit? Und die Antwort lautet: So weit. Die Betonung ist hörbar? Gut! Das ist auch schon (in den meisten Fällen) die Kontrolle für die richtige Schreibung.

Platz #5: Ich laufe das Eis und steige den Berg

Außerdem kursiert die Auffassung, man müsse Verben, die Hauptwort-Bestandteile haben, zwingend von diesen Hauptwörtern getrennt schreiben. Stimmt aber nicht. Eis laufen und Berg steigen sind falsch, dagegen sind Auto fahren und Pfeife rauchen richtig. Wo der Unterschied liegt? Da hilft zumeist eine Umformungsprobe: Ich fahre das Auto oder Ich rauche die Pfeife sind Aussagen, die an der Tür zum grammatischen Salon hereingewunken werden, aber Ich laufe das Eis und Ich steige den Berg haben hier Zutrittsverbot.

Platz #4: Das Gärtnerei Frischluft Herbst Sortiment

Das falsch gesetzte Leerzeichen hat sich als grauslicher kleiner Bruder des allseits gehassliebten „Deppen-Apostrophs“ längst weit verbreitet. Doch zusammengesetzte Wörter muss man halt auch zusammenschreiben, wie etwa das Tofu-und-Gurkerl-Wettessen. Das gilt auch, wenn darin Eigennamen vorkommen, wie Beethoven-Konzert (nicht: Beethoven Konzert) oder Klaus-Maria-Brandauer-Festival. Und nein, es reicht nicht, wenn man einen einzelnen Bindestrich macht wie in Josef Meier-Promenade, was nur aussagt, dass Josef einen amüsanten Doppelnachnamen hat.

Natürlich ist das besonders im Marketing ein heißes Eisen, denn viele Brands wollen und sollen separat stehen, was Komposita zu einer mühsamen Angelegenheit macht. Daher ist in solchen Fällen kreatives Schreiben gefragt. Oft reicht dafür ein minimaler Aufwand an linguistischer Gewitztheit: das Herbst-Sortiment der Gärtnerei Frischluft. Kein Problem, oder? Entscheidend ist, die Regel zu kennen und sie nicht von vornherein der Einfachheit halber zu ignorieren.

Platz #3: Sowohl Hans, und Birgit hatten ein mulmiges Gefühl

Hätten wir an ihrer Stelle ebenfalls. Denn auch hier treten Bindungsängste zum Vorschein. Aber nicht nur das: Die Wortpaare sowohl – als auch und weder – noch sind Schauplätze mehrerer Verbrechen, die sich auf drei Nenner bringen lassen:

  • Einer der beiden Bestandteile wird weggelassen.
  • Sie werden willkürlich mit anderen Bindewörtern kombiniert (meistens mit und).
  • Sie werden willkürlich mit Beistrichen beschossen.

Dabei sind die Regeln so einfach:

  1. weder – noch und sowohl – als auch (oder: sowohl – wie auch) sind immer als Paar zusammen.
  2. Kein anderes Bindewort darf eines dieser Wörtchen ersetzen.
  3. Die verbundenen Satzteile werden nicht durch ein Komma getrennt. (Ausnahme: wenn zwei selbstständige Hauptsätze verbunden werden.)

Alles klar? Na prima. Das ist weder ein Anlass für Stirnrunzeln noch für Kopfzerbrechen, sondern ein Grund sowohl zur Freude als auch zur Hoffnung.

Platz #2: Die Sorgen von Stefan, des Redaktionschefs, war gänzlich unbegründet

Die Fehlerquelle „Kongruenz in Numerus, Kasus und Genus“ klingt schon ziemlich unsexy. Es geht um Folgendes: Satzteile, die aufeinander bezogen sind, müssen in Einzahl/Mehrzahl beziehungsweise im Fall beziehungsweise im Geschlecht übereinstimmen. Fehler passieren hier oft bei Einschüben und in längeren Sätzen, weil der Texter im ehrenwertesten Schreibrausch nicht mehr präsent hat, ob er nun gerade Einzahl oder Mehrzahl, Dativ oder Akkusativ braucht. So kommen dann folgende Fehler zustande:

  • Auf Anraten von Hans Müller senior, des Konzernchefs,… (Hans Müller steht im Dativ, daher muss es auch „dem Konzernchef“ heißen.)
  • Das Schlagen gegen die Türen sind verboten. (Subjekt ist „das Schlagen“, also korrekt: „ist verboten“.)

Solche Fehler können in der Hitze des Gefechts schon mal passieren. Gelegentlich innehalten und abchecken, welche Satzteile eigentlich wie aufeinander bezogen sind, kann schon massiv helfen. Und: Keine langen Schachtelsätze bauen, aus denen man die grammatischen Bezüge erst mühsam sezieren muss! Gerade Kongruenz-Fehler bleiben nämlich verhältnismäßig oft unentdeckt – vermutlich, weil am Ende eines Zehn-Zeilen-Satzes auch die besten Korrekturleser erst mal ins Sauerstoffzelt müssen.

Platz #1: Sie sind zusammen gekommen

Dass Worttrennung nur selten optional ist, wissen wir jetzt alle. Tatsächlich besteht Wahlfreiheit nur für ganz wenige Wörter, bei denen sich die Bedeutung in beiden Schreibungen nicht oder kaum ändert, wie eine Zeitlang oder eine Zeit lang. Sonst gilt: Die Schreibung verändert auch den Sinn. Aber was, wenn die Sinnprobe nicht hilft, weil sowohl Getrennt- als auch Zusammenschreibung sinnvoll sind, wie bei näherkommen und näher kommen?

Die Faustregel: Schreibt man getrennt, wird die eigenständige Bedeutung des Verbzusatzes betont. Wenn also jemand näher kommt, legt er eine räumliche Distanz zurück (ebenso würde er weiter weg gehen und nicht weiterweggehen oder weiter weggehen). Wenn sich hingegen zwei Menschen näherkommen, werden sie vielleicht zusammenkommen und vielleicht auch zusammen kommen, aber das fällt schon in den Bereich schmutzige Germanistenwitze.

Wo nun der Bedeutungsunterschied zwischen da bleiben und dableiben genau liegt, mag nicht jedem auf den ersten Blick klar sein – das Entscheidende ist aber, sich diese Frage überhaupt zu stellen. Denn wer unsicher ist, kann ja immer noch in einem Regelwerk nachschlagen. Wer’s nicht tut und intuitiv schreibt, hat nur eine Chance von 50 Prozent auf richtiges Deutsch.

Das Potenzial der sprachlichen Zweifelsfälle

Letzten Endes beinhaltet jeder Zweifelsfall eine Chance, sich tiefergehend mit sprachlichem Potenzial auseinanderzusetzen. Das sollten auch unsere Top 7 der häufigsten Texter-Fehler in puncto „Trennen & Verbinden“ zeigen. Natürlich ist dazu noch lange nicht alles gesagt – aber mit den hier vorgestellten Regeln hat man schon mal (nicht: schonmal) das wichtigste Handwerkszeug in der Tasche. Dass man die Liste auf ein Vielfaches erweitern könnte, versteht sich von selbst. Gut möglich, dass wir das zu einem späteren Zeitpunkt machen. Bis dahin: Ruhe bewahren, richtig schreiben und daran denken: Fehler sind okay; es kommt nur darauf an, was wir aus ihnen machen.