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Cat Content: So krallen sich Katzen das Internet

Esther Murlasits

Sie zwängen sich in viel zu kleine Schachteln, interessieren sich in auffälligem Ausmaß für PCs und geben mittels Memes philosophische Einschätzungen zu aktuellen gesellschaftlichen Ereignissen ab: Katzen. Kaum ein Thema beherrscht das Internet so, wie Cat Content. Das zeigt auch die Studie Internet 80% Porn, 15% Cats, 4% Mean Comments des Massachusetts Institute of Technology (MIT). Ihr zufolge konnte man die Inhalte, die 2011 im Netz zu finden waren, folgendermaßen aufteilen: 80 Prozent Pornographie, 15 Prozent Katzen und vier Prozent schlecht geschriebene Kommentare.

Cat Content hat Geschichte

Cat Content spaltet die Internetnutzer naturgemäß in zwei Lager: Katzenallergiker beziehungsweise Hundefanatiker und Katzenliebhaber. Welche Katze die erste war, deren Foto im Internet gepostet wurde, ist nicht dokumentiert. Als einer der ersten flauschigen Online-Stars gilt aber „Frank the Cat“: Eine graue Katze, die 1994 in ungrammatischem Englisch als Meme die Frage „I can has cheezburger?“ stellte und damit sogleich den Netz-Trend der „lolcats“ (Katzenbilder mit gewollt fehlerhaftem Englisch) einläutete. Den Höhepunkt der frühen Phase des Cat Content stellen die „BonsaiKitten“ dar: Auf der gleichnamigen Website bonsaikitten.com wurden im Jahr 2000 sogenannte Bonsai-Katzen, die mehrere Monate in kleine Glasbehälter gesperrt wurden, um deren Form anzunehmen, zum Kauf angeboten. Tierschützer sprangen auf die Barrikaden, ja sogar das FBI ermittelte wegen des Verdachts auf Tierquälerei. Kurze Zeit später jedoch stellte sich heraus, dass sich ein MIT-Student lediglich einen Scherz erlaubte. Die Folge: Katzenbilder, -memes und -videos wurden weiterhin upgeloaded, geteilt, geliked und verbreitet. Bis die Onlinewelt etwa im Jahr 2009 die lustigste Katze der Welt entdeckte: Maru. Nur zwei Jahre später avancierte der YouTube-Kanal der Katze auf Platz sieben der beliebtesten Channels in Japan. Videos der pummeligen Katze mit Schachtel-und Plastiksackerl-Fetisch wurden bisher mehr als vier Millionen Mal angesehen. Wer einen Blick hierauf wirft, versteht möglicherweise auch, warum:

Reicher als Ronaldo

Als Gegenstück zur lustigsten Katze der Welt muss natürlich auch die wohl missmutigste und am besten verdienenste Katze der Welt genannt werden: Grumpy Cat. Der kleinwüchsige Fellbausch aus Arizona, der eigentlich auf den Namen „Tardar Sauce“ hört, wurde 2012 durch seinen „grantigen“ Gesichtsausdruck zum absoluten Internet-Phänomen. Mehr als acht Millionen Menschen folgen der Katze bis heute auf Facebook. Tausende Katzenfreunde strömen zu Fantreffen in Shopping Malls und Buchpräsentationen (ja, es gibt auch Bücher über Grumpy Cat), sehen ihre Videos oder besuchen ihre Wachsfigur bei Madame Tussauds in San Francisco. 2013 wurde Grumpy Cat zu einer eigenen Marke. Seither können Fans Bücher, T-Shirts, Pullover, DVDs, Kalender, Plüschtiere und vieles mehr mit dem Konterfei der übel gelaunten Katze erstehen. Wenig verwunderlich, dass das Tier, respektive seine Besitzerin, auch finanziell gut abgesichert ist: Innerhalb von zwei Jahren hat Grumpy Cat rund 84 Millionen Euro verdient und übertrifft damit menschliche Stars wie Weltfußballer Cristiano Ronaldo (34,5 Millionen Euro), Nicole Kidman, Matthew McConaughey oder Matt Damon.

Warum eigentlich Katzen?

Doch was ist es, das die User immer und immer wieder auf sämtliche Katzeninhalte klicken lässt? Eine wissenschaftlich belegte Erklärung können die anfangs erwähnten MIT-Forscher nicht liefern. „Wir konnten nicht herausfinden, warum so viele Katzeninhalte online sind. Aber ich denke, es ist deshalb so, weil Katzenliebhaber Katzen wirklich lieben. Sie verbringen den ganzen Tag damit, nach Bildern und Videos mit Katzen zu suchen oder produzieren diese selbst“, lautet der Erklärungsversuch des MIT-Forschungsleiters und Statistikers Henry Boore. „Im alten Ägypten wurde eine Gottheit in Gestalt einer Katze verehrt, und auch einige Tausend Jahre später scheint sich an der Bewunderung wenig geändert zu haben. Die Huldigung der vierbeinigen Gefährten setzt sich in der digitalen Welt fort. Katzen zählen zu den Stars des Internets“, interpretiert die Journalistin Jessica Binsch im Artikel Warum im Internet jeder Tag Weltkatzentag ist im Hamburger Abendblatt die Anziehungskraft von Katzen. Aber auch psychologisch kann der enorme Online-Erfolg der Katzen begründet werden: „Wir finden Katzen ähnlich süß wie Süßigkeiten. Das liegt in unserer Spezies. Sie nutzen genau die Reize, auf die wir auch ansprechen, wenn wir Kinder aufziehen“, erklärt der Medienpsychologe Frank Schwab von der Universität Würzburg im Artikel Oh Gut, wie süß: Im Internet herrscht der Cat Content auf Focus.de. Die Intensität, mit der Cat Content online verbreitet wird, habe mit unserem Wunsch nach guter Laune zu tun. „Man kann das zur Stimmungsaufhellung machen. Wenn man merkt, das hebt meine Stimmung, macht man es immer wieder – schon hat man eine kleine Gewohnheit etabliert“, beschreibt er den Nutzen für den User.

Österreich als „Katzenmarkt“

Und tatsächlich: Auch hierzulande scheint es ein enormes Bedürfnis nach Themen rund um die Katze zu geben. 65 Prozent der österreichischen Haustierbesitzer leben einer Studie des Marktforschungsinstitutes IMAS zufolge mit Katzen, rund 1,6 Millionen Stubentiger leben in Österreich. Kein Wunder, dass auch die Online-Ableger etablierter Tageszeitungen dem Bedürfnis der heimischen User nach Cat Content bereitwillig nachkommen: Berichte über die beliebtesten Katzen-Videos, die traurigste Katze der Welt, Katzenratespiele, mehr oder weniger ernsthafte Beiträge über Katzen als Retter bei Wohnungsbränden und vieles mehr, finden sich in Tageszeitungen wie Kurier, Die Presse, Kronen Zeitung und auch in Der Standard. Das Magazin „Woman“ gibt an, Cat Content nur dann zu publizieren, wenn er „wirklich, wirklich, wirklich niedlich ist“, der Standard.at ist hingegen bereits dazu übergegangen die Wetternachrichten online nur noch mit Katzen zu bebildern. Besonders häufig kommen dabei Katzen-Memes zum Einsatz. Stubentiger sind darin in menschlichen Posen und mit mehr oder weniger ernsthaftem Text zu sehen (siehe auch „I can has cheezburger? zu Beginn des Textes). Doch ganz gleich ob Katzen-Meme, Video, Harlem Shake oder lolcats – worauf genau der Erfolg diverser Internethypes beruht, ist oftmals schlichtweg nicht erklärbar. Genauso wie beispielsweise Shitstorms, sind sie mitunter von einem auf den anderen Tag weltweit präsent und verschwinden oftmals genauso schnell wieder aus dem Netz. Mit einer Ausnahme: Cat Content hält sich mittlerweile seit 1994. Und zwar hartnäckig.

Mehr Aufmerksamkeit, das Generieren von Leserkontakten, Leserbindung und mehr Traffic – der Einsatz des fast 20 Jahre andauernden Internettrends Cat Content hat viele positive Effekte für Onlinemedien. Aus der Vorliebe für Katzen ergibt sich dadurch aber auch ein unbestrittener Nutzen für den User. Und wenn es „nur“ ein angenehmes Gefühl oder witziger Moment ist.